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Kaiserverlag

Sibirien

Profitheater Monologe
Besetzung: 1H / 1DEK

Nach einer erlittenen Fraktur des Hüftgelenks wird ein alter Mann in ein Pflegeheim eingewiesen. Er wehrt sich gegen die gefühlskalte Versorgungs- und Entsorgungsmaschinerie einer modernen Verwahrungs- und Sterbeanstalt. Erinnerungen an das Kriegsgefangenenlager in Sibirien werden bei ihm wach. Der Aufenthalt im Altersheim kommt einer zweiten Deportation gleich. Die Widerspenstigkeit des Alten wird vom Pflegepersonal als Altersstarrsinn ausgelegt, der unbequeme Patient wird systematisch zum Pflegefall degradiert. In seiner Einsamkeit und zunehmenden geistigen Verwirrung verhallen seine Bitten um Verständnis und Hilfe ungehört. Der Tod befreit ihn von seiner Enttäuschung und Pein.
Eine erschütternde Anklage gegen die Kälte und Lieblosigkeit unseres Fürsorgesystems, dessen Inhumanität von der Realität bereits übertroffen wurde und eine sensible Fürsprache für ein würdevolles Altern und Sterben.


Leseprobe

1
(Der alte Mann mit zwei Krücken. Pyjama und Morgenmantel.)

Familie!
Was ist das für eine Familie?
Was ist das für eine Familie, die ein Komplott
gegen mich schmiedet?
Was ist das für eine Familie,
die ein Komplott
gegen ein Familienmitglied schmiedet?
Natürlich!
Natürlich!
Natürlich, Frau Schwiegertochter!
Ich hab mir die Hüfte angeknackst!
Ein klein wenig die Hüfte angeknackst!
Na und?
Ist das ein Grund, mich umzubringen?
Ist das ein Grund, mir den Gnadenschuss zu geben?
Ist das ein Grund,
mir den Gnadenschuss zu geben
wie einem alten Gaul?
Du siehst ja,
ich kann gehen,
ich kann mich bewegen,
ich bin rüstig wie eh und je!
Jetzt übernehm ich auch schon diese Wörter.
Diese abscheulichen Wörter!



Rezensionen

Uraufführung: 06.08.1989, Tiroler Volksschauspiele Telfs
Regie: Rudolf Ladurner

… ein rasendes, leidvolles Manifest …
Mitterers dramaturgischer Zeigefinger liegt auf der offenen Wunde des Zeitgeists …
Kurier, 11.08.1989

… ein Stück schmerzhaft-beängstigenden Lebens auf dem Theater.
Ein Aufschrei ist dieses Stück, ein Aufschrei seine Aufführung!
Neue Tiroler Zeitung, 08.08.1989

Akademietheater, Wien, 20.10.1990, Regie: Franz Morak, Darsteller: Fritz Muliar
Ein kurzes, aber großes Stück moralischen Theaters.
Der Standard, 22.10.1990

… aufwühlendes Theaterereignis, das in seiner Intensität und Aufrichtigkeit unmittelbar berührt …
Wiener Zeitung, 23.10.1990