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Kaiserverlag
Besetzung: 1D / 2H / 1DEK
Übersetzung:
Aus dem Lettischen von Matthias Knoll
Rechte:
Frei zur DEA
Typ:
Kammerspiel in zwei Teilen

Gretchens Fall wird nach 25 Jahren der Inhaftierung ohne rechtskräftiges Urteil erneut aufgerollt. Die Anklage lautet in drei Fällen: Ermordung der Mutter durch Gift, Kindsmord durch Ertränken und Beihilfe zum Mord am Bruder. Der Staatsanwalt fordert die Todesstrafe.

Ein junger ehrgeiziger Anwalt, der gewillt ist, diesen Fall für seine Karriereleiter zu nutzen, versucht eine Annäherung an diese starke, eigenwillige und gereifte Frau.
Die Verteidigung scheint aussichtslos, die Indizien sind erdrückend und Margarete verweigert schicksalsergeben die Zusammenarbeit.

Doch die Nachforschungen ergeben die Unschuld Margaretes, und der Fall des Herrn Dr. Faust wird vor Gericht parallel verhandelt.
Als ein Justizwachebeamter vom jungen Anwalt, der in Margarete seine Mutter erkennt, eine schnelle Unterschrift mit etwas Blut verlangt, könnte alles von vorne beginnen – doch Margarete macht dem Teufel einen Strich durch die Rechnung …

Ein heutiger Justizthriller, der auf der Basis der Goetheschen Tragödie die Perspektive umgekehrt und aus der Retrospektive mit einem Faustschen Jahrhundert abrechnet.


Leseprobe

Erster Teil - Montag

ANWALT · Sie werden in drei Fällen angeklagt.
Und zwar: Sie haben erstens Ihre Mutter
vergiftet, zweitens dann Ihr Kind ertränkt,
und drittens Beihilfe zum Mord geleistet
an Ihrem Bruder.
Sie dürfen eines nicht vergessen –
daß ich Ihr Anwalt bin, der Sie verteidigt.
Sie müssen mir vertrauen
und ohne Rückhalt offenherzig sein.

Beginnen wir beim ersten Fall:
Sie haben Ihre Mutter umgebracht
mit Gift. Sie haben sie gehaßt. Weshalb?

MARGARETE · Gehaßt? Ich – meine Mutter?
Was faseln Sie denn da! Ich liebte sie.
So lassen Sie mich doch in Ruhe!
Das alles ist schon längst vergessen!
Sie mögen es wohl, Fliegen langsam
die Flügel und die Beinchen auszuzupfen?
Und außerdem: ich bin begnadigt!
Das müssen Sie als erstes wissen!
Gerettet bin ich! Bin gerettet!

ANWALT · Gerettet? Wer hat das behauptet?

MARGARETE · Die Stimme.

ANWALT · Die Stimme? Welche Stimme?

MARGARETE · Die Stimme aus dem Himmel, und sie sprach:
Gerettet! Aus dem Himmel tönte sie,
mein ganzes Wesen war durchdrungen
von ihr. Gerettet! Ja, ich bin gerettet.

ANWALT · Margarete! Ich erlaube mir,
beim Namen Sie zu nennen.
Sie sind doch eine kluge Frau!
Hier sind so viele Bücher –
wenn Sie die alle auch gelesen haben ...

MARGARETE · Sie halten sie für Requisiten?

ANWALT · Sie müssen doch verstehen,
daß das kein Argument ist – eine Stimme!
Das war der Schock wohl, unter dem Sie damals
laut ärztlichem Befund gestanden haben.
Vergessen wir ganz einfach diese Ihre
Behauptung, die die Richter lediglich
zu einem Grinsen provozieren würde.

MARGARETE · Es war die Stimme Gottes.
Wahrscheinlich sind Sie Atheist?

ANWALT · Nein, keineswegs. Doch Gott als Zeugen
zu laden vor Gericht, kann heute sich
als ziemlich kompliziert erweisen.
Es sei denn, daß Sie eine Bandaufnahme
von jener Stimme haben, die wir dann
nur abzuspielen brauchen vor Gericht.

MARGARETE · Sie machen sich wohl lustig über mich.

ANWALT · Verzeihen Sie. Ein wenig, ja. Und doch –
selbst wenn Sie eine Bandaufnahme hätten:
wer könnte dann bezeugen, daß die Stimme
tatsächlich die von Gott ist? Heutzutage
vom Teufel Gott zu unterscheiden,
ist gar nicht einfach.