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Kaiserverlag
Besetzung: 4D / 16H / 2DEK
Typ:
Stück in 13 Bildern

Der Viehhändler Stefan Adler, ein gutsituierter Bürger in einem Tiroler Dorf, ist ein Mann der ersten Stunde. Ohne seine Herkunft zu kennen, wird der Nachkomme jüdischer Einwanderer Mitglied der in Österreich noch illegalen NSDAP. Als seine Rassenzugehörigkeit offiziell wird, verbleiben ihm nur noch die Trümmer seiner bisherigen Existenz. Das Zustandekommen der Ehe seiner schwangeren Tochter mit dem begeisterten, nationalsozialistischen Sohn des Bürgermeisters und die Karriere seines eigenen, von der Bewegung faszinierten Sohns und SS-Mitglieds sind somit unmöglich geworden. Um ihre Kinder und sich selbst aus der anlaufenden Todesmaschinerie des Faschismus zu befreien, gibt die „arische“ Ehefrau Adlers an, die Kinder seien das Produkt ehelicher Untreue.
Seiner Familie beraubt und mit Berufsverbot belegt, nimmt Adler seine jüdische Herkunft bewusst wieder an und verharrt, trotz der drohenden Enteignung seines Besitzes, der Anwendung von Gewalt und unter Lebensgefahr in einem opportunistischen, von Feigheit und Eigennutz dominierten, feindlichen Umfeld, in einem Land, das einst seine Heimat war. In einem Konzentrationslager kommt es zu einer letzten, schicksalhaften Begegnung mit dem Sohn.
Ein unumwundenes Stück wider das Vergessen, wider Mitläufertum, politische Verblendung und die Angst vor dem Fremden und Anderen, ein immer noch wichtiger Beitrag zur längst nicht abgeschlossenen Vergangenheitsbewältigung.


Leseprobe

8. BILD

PFARRER: I muass dir Abbitte leisten!
ADLER: Wieso? Hast ma ja nix tan!
PFARRER: Ja, aber i hab mitgholfen, den Boden zu bereiten. Und i bin nit zu dir gstanden.
ADLER: Macht doch nix! Koaner steht zu mir! …
ADLER: Woasst ma nit an Schneider? Für’n Judenstern. I bin da so ungschickt. Und Frau hab i ja koane mehr!
PFARRER: Es is ma ernst, Stefan! I hab a immer gegen die Juden ghetzt.
ADLER: (beginnt zu lachen, kann sich kaum mehr halten, lachend) I doch a! I doch a, Pfarrer. I war ja auch Antisemit! Kannst du dir des vorstellen? (Sein Lachen bricht plötzlich ab, ganz ernst) Verfluacht soll i sein!
PFARRER: Des wirst du nit sein. Und i möcht di trotzdem um Verzeihung bitten. I kenn ja nur di. Du bist koa schlechter Mensch!
ADLER: Na und? Deswegen brauchst doch deine Vorurteile nit aufgeben! Bin i halt a braver Jud! Wird scho andere a geben! Bluatsauger, Betrüger, Frauenschänder!
PFARRER: Die gibt’s unter die Christen a!
ADLER: Wallstreet-Kapitalisten, Bolschewisten, Ritualmörder! … Lass guat sein, Pfarrer. I versteh nur nit, dass du mit die Leut no am gleichen Tisch sitzen kannst!
PFARRER: Des war doch nit freiwillig! I bin zitiert worden!
ADLER: Wieso?
PFARRER: Ach, wegen oaner Predigt! Aber des is ma gleich! Die können mi hakenkreuzweis! – So geht des sowieso nit weiter! Jedes Wort muass ma sich dreimal überlegen! Überall lauern die Spitzel! In der Schul haben die Kinder jedes Kruzifix von der Wand grissen! Und ham dabei gschrien, unter Anleitung vom Oberlehrer: „Ohne Jude, ohne Rom, bauen wir Germaniens Dom!“ – Mein Gott, was bin i für a Narr gwesen!



Rezensionen

Uraufführung: 12.04.1987, Tiroler Landestheater, Innsbruck (als Koproduktion mit dem Südtiroler Ensembletheater)
Regie: Erich Innerebner, Musik: Werner Pirchner

Über zweieinhalb Stunden geballte Ladung Zeitgeschichte …
Neue Tiroler Zeitung, 14.04.1987

Die Zusammenführung von Opfern, diese Verflechtung verschiedener Schicksale und Geschehnisse ergibt ein dramaturgisch dichtes Gewebe, ein Stück, das in jeder Situation packt.
Bühne, 06.1987