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Kaiserverlag
Besetzung: 3D / 8H / 1DEK
Rechte:
Frei zur DEA

Der oberösterreichische Bauer Franz Jägerstätter träumte im Jänner 1938 von einem Zug, in den immer mehr Menschen einstiegen, und er hörte eine Stimme sagen: "Dieser Zug fährt in die Hölle." Dies deutete Jägerstätter als Warnung vor dem Nationalsozialismus.
Bei der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs gab er die einzige Nein-Stimme in seinem Ort ab. Am 1. März 1943 erhielt er die Einberufung zur Wehrmacht nach Enns und verweigerte dort den Kriegsdienst. Er wurde verhaftet und nach Berlin gebracht, dort verurteilte man ihn am 6. Juli wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode.
Zahlreiche gutmeinende Menschen, darunter Freunde, Familie, Kleriker und auch Nazis, redeten ihm zu, die Verweigerung zurückzunehmen und damit sein Leben zu retten. Der sture Bauer aus St. Radegund gab aber nicht nach. So wurde er am 9. August 1943 durch das Fallbeil hingerichtet.
Noch Jahrzehnte nach dem Krieg wurde Jägerstätter von vielen als Feigling, Verräter und "Bibelforscher" denunziert. 2007 endlich wurde ihm offiziell Gerechtigkeit zuteil, indem ihn die römisch-katholische Kirche selig sprach. Die Verachtung vieler blieb, die Familie spürt das noch heute.
Vom Weg dieses sturen Bauern, dieses mutigen Mannes, der "Nein" sagte zu einem verbrecherischen Regime, "Nein" sagte zu den Massenmördern, wird das Stück handeln. Und von seinen Zweifeln und Ängsten, von seinen inneren Kämpfen, und von seiner Konsequenz, die uns weniger Mutigen ein Stachel im Fleisch ist.
(Felix Mitterer)

Herzallerliebste Gattin. Und alle meine Lieben,

heute sind es nun 4 Wochen, da wir uns zum letzten Mal auf dieser Welt gesehen. Heute früh um zirka halb 6 Uhr hieß es sofort anziehen, das Auto wartet schon, und mit mehreren Todeskandidaten ging dann die Fahrt hierher nach Brandenburg, was mit uns geschehen wird, wussten wir nicht. Erst zu Mittag teilte man mir mit, dass das Urteil am 14. bestätigt wurde und heute um 4 Uhr nachmittags vollstreckt wird. Will euch nun kurz einige Worte des Abschiedes schreiben. Liebste Gattin und Mutter. Bedanke mich nochmals herzlich für alles, das Ihr mir in meinem Leben für mich getan, für all die Liebe und Opfer, die Ihr für mich gebracht habt, und bitte Euch nochmals, verzeiht mir alles, was ich Euch beleidigt und gekränkt habe, sowie Euch auch von mir alles verziehen ist. Es war mir nicht möglich, Euch von diesen Schmerzen, die Ihr jetzt um meinetwegen zu leiden habt, zu befreien. Ich danke auch unsrem Heiland, dass ich für ihn leiden durfte und auch für ihn sterben darf. Und vertraue auch auf seine unendliche Barmherzigkeit, dass mir Gott alles verziehen hat und mich auch in der letzten Stunde nicht verlassen wird. Grüßet mir auch noch herzlich meine lieben Kinder, ich werde den lieben Gott schon bitten, wenn ich bald in den Himmel kommen darf, auch für Euch alle ein Plätzchen anzuschaffen. Und nun alle meine Lieben lebet alle wohl und vergesset meiner nicht im Gebet.

Franz an Franziska Jägerstätter
Brandenburg, 9. August 1943
Abschiedsbrief


Leseprobe

26.

FELDMANN: Märtyrer, was? „Oh Haupt voll Blut und Wunden!“ Der blutüberströmte Christus am Kreuz. In jeder Wohnstube. Ein Gehenkter. Ein Gefolterter. Ein Toter.
FRANZ: Er ist auferstanden.
FELDMANN: Ihr Katholiken seid alle Masochisten. Das ist auch das Problem von Hitler. Er hasst die Katholiken und ist doch selber einer. Einige der größten Schlächter, einschließlich ihm, kommen aus dem katholischen Österreich. Wissen Sie das, Jägerstätter? Ihr seid Anbeter des Todes.
FRANZ: Das bin ich nicht! So bin ich nicht! Ich glaube an ein ewiges Leben! Das hier auf der Welt ist nur ein Übergang!
FELDMANN: Schwachsinn! (Reißt ihm den Rosenkranz aus der Hand, wirft ihn zu Boden.) Genauso ein Schwachsinn wie Walhalla! Blutopfer für das Volk, Blutopfer für Gott! Ein und dieselbe Chose! Dieses Leben hier ist gewiss, alles andere Spekulation, Aberglaube. Hier auf dieser Welt müssen wir bestehen, unseren Mann stellen. Dem Staat dienen, und (zeigt ihm das Foto) der Familie! (Franz ringt mit sich.) Ich brauche eine Entscheidung von Ihnen. Widerrufen Sie oder nicht?
FRANZ: Nein. Ich kann es nicht. Nicht für diese Verbrecher. Und jetzt auch noch Strafkompanie. Bandenbekämpfung, was? Wie ihr das nennt. Ich nenne die Partisanen Freiheitskämpfer. Und nachdem die in den Wäldern und Bergen sind, wo sie sich auskennen, wo wir sie nicht erwischen, muss ich ihre Dörfer niederbrennen, samt ihren Familien. Ich weiß zu viel, ich habe mich gut unterrichtet, Herr Doktor Feldmann. Nicht alle halten den Mund, wenn sie auf Heimaturlaub sind.
FELDMANN: Das ist dann das Ende, Jägerstätter. Sehr bedauerlich.



Rezensionen

Uraufführung: 20.06.2013, Auftragswerk für das Theater in der Josefstadt, Wien in Zusammenarbeit mit dem Theatersommer Haag
Regie: Stephanie Mohr

Ein großer Wurf ... lebendiges Theater, ein didaktisches Volksstück, das nie sentimental wirkt, sondern einfach wahr.
Die Presse, 21.06.2013

Die Uraufführung von Felix Mitterers Passionsspiel ist ein Glücksfall. Einhelliger Jubel für ein Kunststück.
Der Standard, 22./23.6.2013

Ein Stück imponierender Vergangenheitsbewältigung, die an die Größe griechischer Dramen der Antike heranreicht. Stürmischer Jubel ...
Kronen Zeitung, 21.06.2013
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Premiere 18.09.2016, Landestheater Linz, Kammerspiele
Regie: Markus Völlenklee

Triumph des Starrsinns: Felix Mitterers Theaterstück famos in den Linzer Kammerspielen ...

Mitterers Stück behält auch im Zweitversuch vollständig recht: Aufstehen gegen den Ungeist, wo er sich zeigt. Jubel für alle Beteiligten.
Der Standard, Ronald Pohl, 19.09.2016