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Kaiserverlag

Frank Freiman muss sich entscheiden

Profitheater Dramatik, Zeitstücke
Besetzung: 7D / 5H / / Sim
Originaltitel:
Ce qui arrive à Francis L’homme
Übersetzung:
Aus dem Französischen ins Deutsche von Wolfgang Barth
Rechte:
frei zur UA

Frank Freiman, er ist psychiatrischer Gerichtsgutachter, denkt zu viel nach. Daher kann er sich eines Tages für gar nichts mehr entscheiden, auch nicht, ob er aufstehen soll oder nicht. Also ab mit ihm zum Psychodoktor. Aber auch in der Klinik „weiß Frank nicht, ob er geheilt werden will oder nicht. Alle wollen eindeutig, dass er geheilt wird. Aber warum, fragt er sich, war mein früheres Leben in ihren Augen besser? Ist es vielleicht besser, jemanden zu behandeln als behandelt zu werden? Ist es besser, mit seiner Frau zu Hause zu leben als weit weg von ihr in einer Gemeinschaft? Oder wäre es im Gegenteil besser, hier Patient unter Patienten zu sein? Ganz zu schweigen davon, dass die Ärzte und das Pflegepersonal dank der Tatsache, dass er in der Klinik ist, einer Arbeit nachgehen, die ihnen Spaß macht. Vielleicht zählt das viel mehr als die unangenehmen Aspekte seiner eigenen Lage. Darüber denkt er nach.“
Da Frank keine Entscheidungen mehr treffen kann, machen das andere für ihn. Er tut, was man ihm sagt.
Er soll eine Zeitlang wieder zuhause, bei seiner Frau, in gewohnter Umgebung verbringen. In einem Buch liest er: „Bleib nicht bei dieser Frau.“ Also geht er.
Bei Dorine findet er ein neues Zuhause, bis er schließlich auch sie verlässt. Er begegnet einem skrupellosen Politiker, der hat Probleme mit einer Parteikollegin. Der Politiker erkennt in Franks Phobie eine Möglichkeit, diese Frau loszuwerden …

Ein perfekt konstruiertes und raffiniert gemachtes Theaterstück, das die Möglichkeiten einer zwanghaften Störung spannend und glaubwürdig überzeichnet. „Ce qui arrive à Francis L’homme“ wurde 2021/22 in die Auswahlliste des Lesebüros der Comédie-Française gewählt.

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Leseprobe

Eine bescheidene Arztpraxis. Frank und der Arzt/die Ärztin, der/die sich um ihn kümmert, haben Platz genommen.

PSYCHIATER. Es erschien Ihnen möglich, das Gegenteil von dem zu behaupten, was Ihren Schlussfolgerungen entsprach?
FRANK. Ja, das erschien mir möglich.
PSYCHIATER. Hatten Sie Angst davor, eine Dummheit zu machen?
FRANK. Dummheit?
PSYCHIATER. Das Gegenteil von dem zu behaupten, was Sie als richtig erkannt hatten.
FRANK. Nein. Für mich war das einfach eine andere Möglichkeit.
PSYCHIATER. Hatten Sie solche Neigungen schon öfter?
FRANK. Nein, nie. Ich wundere mich sehr darüber.
PSYCHIATER. Jetzt erscheint Ihnen das also absurd.
FRANK. Nein, gar nicht.
PSYCHIATER. Sie haben aber doch gerade gesagt, dass Sorganiorganiie sich sehr darüber wundern, so etwas tun zu wollen.
FRANK. Sehr wundere, weil ich das noch nie wollte.
PSYCHIATER. Ach. Ja, das ist etwas anderes.
FRANK. Jetzt ist mir völlig klar, dass beide Entscheidungen gleichermaßen möglich sind. Ich kann ja zum Beispiel die Schranktür schließen oder sie offen lassen, beides ist möglich - meine früheren Entscheidungen wundern mich. Nicht dass sie weniger sinnvoll gewesen wären, aber sie wundern mich eben. Jetzt fände ich das völlig normal, wenn Sie das plötzlich so sehen würden wie ich, wenn meine Frau oder überhaupt alle das so sehen würden.
PSYCHIATER. Aber man kann sich an einer offenen Schranktür stoßen, sich verletzen.
FRANK. Ja.
PSYCHIATER. Wenn man sich verletzt, tut das weh.
FRANK. Ja.
PSYCHIATER. Ist doch besser, wenn es nicht weh tut. Oder?
FRANK. Beweisen Sie es mir.

PSYCHIATER. Wollen Sie denn, dass es weh tut?
FRANK. Nein.
PSYCHIATER. Wollen Sie anderen weh tun?
FRANK. Nein, auch nicht. Aber das heißt noch nicht, dass es besser ist, wenn es nicht weh tut.

PSYCHIATER. Haben Sie Selbstmordgedanken?
FRANK. Ich denke darüber nach.
PSYCHIATER. Über Selbstmord?
FRANK. Ja, aber über alles andere genauso: Ich weiß nicht, ob es besser wäre, mich umzubringen oder nicht. Bei ganz vielen anderen Dingen ist das genauso. Darüber denke ich jetzt nach.
PSYCHIATER. Und wenn ich Ihnen jetzt sage, dass es besser ist, wenn Sie sich nicht umbringen, dann fordern Sie mich auf, das zu beweisen?
FRANK. Ja, genau.