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Kaiserverlag

Dichtercoaching

Profitheater Komödie und Boulevard
Besetzung: 1D / 5H / 1DEK
Originaltitel:
Coaching littéraire
Übersetzung:
Aus dem Französischen von Wolfgang Barth
Rechte:
Frei zu UA

Das Leben von Paul-Denis und seiner Frau Victoire ist kalt und leer. Er treibt sich bei den armen Nachbarn herum, um sich an ihrer Authentizität aufzuladen. Dann muss man sich nicht mehr selbst darum bemühen. Seine Gattin widmet sich lustlos der Rauhaardackelzucht.
So weit so gut: Bourgeoisie vom Feinsten!
Söhnchen Guillaume ist ein Nichtsnutz, und ein Dichter ist er auch nicht geworden. Dabei hätte sich Muttern dies so sehr gewünscht. Also muss er weg (und damit ist richtig weg gemeint). Vater Paul-Denis ist da noch etwas zögerlicher. Er heuert lieber zwei Schlägertypen an, die ihn mit ihrem „Intensivverfahren“ zum Dichten bringen sollen.
Und siehe da, plötzlich dichtet er und kann damit gar nicht mehr aufhören.
Aber wer will das hören? So oder so: Guillaume muss weg!

So voller Komik und mit solch entlarvendem Humor hat schon lange niemand mehr über die Kunst des Schreibens geschrieben. Eine Kunst, die jenseits des Mainstreams die Wahrheit ausspricht. Eine Wahrheit, vor der sich die Politik, das Besitzbürgertum und all die Verehrer der „guten“ Kunst fürchten.
Ein gutes Thema für das Theater, das ja hoffentlich immer noch wahrhaftig sein möchte.
Vive la liberté de la parole!


Leseprobe

Am nächsten Tag. Am Picknicktisch im kleinen Park.
Guillaume mit Papierblättern. Die beiden Typen tauchen auf.

ERSTER TYP. Hallo, Guillaume. Na? Ist das nicht nett, das ist jetzt unser erstes Dichterkreistreffen!
ZWEITER TYP. Unser Dreieckstreffen.
ERSTER TYP. Ja; weißt du was, wir nennen das den Dreieckskreis, was meinst du? – da wird man neugierig.
ZWEITER TYP. Also. Hier ist es doch schön. Und wie wir sehen, hast du deine Ergebnisse mitgebracht.
ERSTER TYP. Wir haben nichts geschrieben, wir hatten keine Zeit.
Die beiden Typen nehmen ihm die Blätter ab, teilen sie auf, lesen sie, tauschen aus.


Wir können dir nicht sagen, ob das was ist. Haben wir dir ja gesagt, wir sind auf diesem Gebiet keine Experten.
ZWEITER TYP. Auf den ersten Blick sieht das nicht so berühmt aus.
ERSTER TYP. Nein, auf den ersten Blick nicht.
ZWEITER TYP. Aber vielleicht ist es ja trotzdem sehr gut.
ERSTER TYP. Ja.
ZWEITER TYP. Auf uns kannst du dich da nicht verlassen, Guillaume.
ERSTER TYP. Nein.
ZWEITER TYP. Wir zeigen das alles unserem Experten. Der wird dann sagen, ob das was ist.
ERSTER TYP. Aber hab mal keine Angst, auch wenn es beschissen ist, wirst du nicht gleich umgebracht.
ZWEITER TYP. Nein, keine Angst – also erst mal nicht.
ERSTER TYP. Natürlich, wenn das zu lange beschissen bleibt, wirst du umgebracht, aber erst mal nicht. Erst mal ist wichtig, dass du das Bedürfnis spürst, Gedichte zu schreiben, dass dich das hier packt.
ZWEITER TYP. Wo hier?
ERSTER TYP. Hier.
ZWEITER TYP. Genau, dass dich das hier packt, dass das für dich was Existentielles wird.
ERSTER TYP. Genau, existentiell.
ZWEITER TYP. Du wirst erst mal nicht nach Qualität beurteilt.
ERSTER TYP. Später schon.
ZWEITER TYP. Und vielleicht ist das ja schon sehr gut, was du geschrieben hast, vielleicht ist das ja sogar innovativ, und wir, wir können das gar nicht erfassen, was bei deinem Schreiben so innovativ ist; wir lesen das und meinen stumpf, dass das schlechte Dichtung ist.
ERSTER TYP. Außerdem kennen wir dich. Also haben wir ein negatives Vorurteil.
ZWEITER TYP. Ja, das kommt noch dazu.
ERSTER TYP. Wenn das innovativ ist, merkt das unser Experte. Das ist wirklich ein sehr guter Experte, er wird uns das sagen. Und wir teilen dir dann seine Einschätzung mit; seine unparteiische Einschätzung.
Wir treffen uns dann wieder hier in einer Woche, gleiche Zeit.
Mit neuen Gedichten, natürlich. In freudiger Erwartung...
ZWEITER TYP. In freudiger Erwartung…