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Kaiserverlag

Boxer, Der

Frei nach dem Schicksal des Sinto-Boxers Johann „Rukeli“ Trollmann
Profitheater Dramatik, Zeitstücke Modernes und traditionelles Volkstheater
Besetzung: 2D / 7H / 2DEK / / Stat.

Im Juni 1933 kommt es beim Boxkampf um den deutschen Meistertitel im Halbschwergewicht zum Eklat. Johann „Rukeli“ Trollmann, der einer Sinti-Familie entstammt, punktet mit seinem schnellen, für damalige Zeiten ungewöhnlichen Boxstil in jeder Runde. Doch die Jury betrachtet die Leistungen der Kämpfer als ungenügend und weigert sich, den Kampf zu werten: Der Boxstil des Zigeuners entspreche nicht dem deutschen Faustkampf. Nur aufgrund massiver Proteste der Zuschauer wird Rukeli Trollmann schließlich doch zum Deutschen Meister ernannt, kurz darauf wird ihm der Titel „wegen schlechten Boxens“ wieder aberkannt. Rukelis vielversprechende Boxkarriere ist unter dem nationalsozialistischen Regime jäh zu Ende. Im KZ wird Rukeli gezwungen, für die SS gegen andere Häftlinge zu boxen. Wer verliert, stirbt. Rukeli stirbt im Jahr 1944.
Felix Mitterer hat Rukelis – fast vergessenes – Schicksal zum Inhalt seines Stückes gewählt. Rukelis Leidensweg steht dabei stellvertretend für den so vieler Roma und Sinti, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Dazu Felix Mitterer: „Der Boxer erinnert an die ermordeten Sinti und Roma und gibt ihnen und uns einen Helden, der sich von den Nazis niemals unterkriegen ließ, auch wenn sie ihn am Ende töteten. Rukeli lebt.“


Leseprobe

6. BILD

RITTER: Auf ein Wort, Meister.
Rukeli kommt zu Ritter, dieser nimmt ihn freundlich am Arm, geht mit ihm ein Stück weg, sodass die anderen nicht zuhören können.
RITTER: Hast du von den Nürnberger Rassegesetzen gehört?
RUKELI: Keine Ahnung. Ich kenn nur die Nürnberger Rostbratwürste.
RITTER: Es handelt sich um Gesetze zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. Heirat zwischen Deutschblütigen und Juden ist verboten. Heirat zwischen Deutschblütigen und Zigeunern ist ebenso verboten.
RUKELI: Sind wir keine Arier mehr? Scheißdreck! Und wär so gern ein Arier gewesen, ein deutscher Faustkämpfer. Was tun wir da?
RITTER: Du lässt dich sterilisieren und du lässt dich scheiden. Das tun wir.
RUKELI: Sterilisieren? Was ist das, Herr Doktor?
RITTER: Unfruchtbarmachung.
RUKELI: Entmannung.
RITTER: Nicht ganz so drastisch. Kleiner, harmloser Eingriff. Das machen wir gleich heute.
RUKELI: Das machst du nicht mit mir.
RITTER: Doch, das mach ich mit dir. Sonst geht deine ganze Familie ins Konzentrationslager. Du auch, natürlich. - Du wirst es nicht wissen, aber keiner kommt aus dem KZ zurück. Keiner.
RITTER: Und dann wirst du dich scheiden lassen. Die Ehe hat nie existiert. Olga bleibt unangetastet, es passiert ihr nichts, ich verspreche es dir.
RUKELI: Bist du der Teufel?
RITTER: Sei nicht so pathetisch, Rukeli. Sagen wir es so: Ich bin der Herr über Leben und Tod.
Rukeli schaut ihn an. Würde ihn so gern umbringen.
RITTER: Weißt du, die ganzen degenerierten Großstadtzigeuner sind die gefährlichsten – die Artisten, die Varieté-Künstler, besonders auch die Musiker, die jetzt alle Django Reinhardt nachahmen – Hot Club de France ... Nackte Negerweiber schütteln aufreizend ihre Hüften ... Du gehörst auch dazu, Rukeli, alle seid ihr gänzlich der ursprünglichen Zigeunernatur entfremdet. Alle muss man euch an der Fortpflanzung hindern. (Schaut zur Familie, zu Olga, schaut Rukeli an.) Gehst du jetzt mit, oder nicht?
RUKELI: Ich geh mit.



Rezensionen

Uraufführung: 29.01.2015
Theater in der Josefstadt, Wien
Regie: Stephanie Mohr

Brutal. Hart. Großartig.
Im Stück "Der Boxer" von Felix Mitterer … beschreibt der Autor glasklar und analytisch psychologisch durchdacht, die Lebens- und Leidensgeschichte von Johann "Rukeli" Trollmann und seiner Familie. …
"Der Boxer" ist ein Stück, das zeigt, wozu Menschen in gewissen Situationen fähig sind. Es reißt allen kulturellen Errungenschaften die Maske vom Gesicht und – das sollte im Vordergrund diskutiert werden – es verleiht stellvertretend mit dieser Familiengeschichte allen Sinti und Roma ein Gesicht, die in der Nazidiktatur ihr Leben lassen mussten. Ein schwarzes Kapitel Menschheitsgeschichte, das bis heute noch viel zu wenig aufgearbeitet wurde.
Brutal. Hart. Großartig. Das ist die Kurzdefinition dieser Inszenierung. Wer immer kann, soll sie sich nicht entgehen lassen.
(European Cultural News)

… eindrückliche Theaterbilder, die besonders durch Auslassung Schrecken verbreiten.
(Nachtkritik)

Am Ende gab es den ganz großen Jubel, immer wieder klatschte das Publikum nach der Uraufführung von Felix Mitterers zeitgeschichtlichem Drama "Der Boxer" Darsteller, Regisseurin Stephanie Mohr und den Dichter zurück auf die Bühne und spendete laute Bravos.
… berührt, erschüttert, verstört … zutiefst.
(KURIER)

Jubel. Starke Momente.
(Kronen Zeitung)

Mitterers "Der Boxer" ist eine überfällige Würdigung der im Nationalsozialismus getöteten Roma und Sinti.
(Österreich)

Mit der Uraufführung des Dramas "Jägerstätter" gelang dem Trio aus Autor Felix Mitterer, Schauspieler Gregor Bloeb und Regisseurin Stephanie Mohr vor eineinhalb Jahren im Theater in der Josefstadt ein großer Erfolg.
Mit "Der Boxer" ist ihnen eine Wiederholung gelungen, oder in Sport-Diktion: eine erfolgreiche Titelverteidigung. Die gestrige Premiere wurde jedenfalls laut bejubelt.
(APA)

Die Familie des im KZ nach dem einen Sieg gegen Wolf gefällten (erschlagenen) "Bäumchen", der ein starker Baum war, die Lebenden wie die Toten werden, im Schlussbild untermalt von der frohen Musik ihrer Volksgruppe, weiterleben – nun auch in der Erinnerung der Zuschauer eines ergreifenden Theaterabends.
(Tiroler Tageszeitung)

Am Ende verschlug einem die Inszenierung die Sprache, manche weinten, andere hatten Magenbeschwerden. Das sinnlose Ende eines Lebens – schon oft gesehen in Filmen und auf Bühnen, wenn es um Schicksale aus der NS-Zeit ging. So auch diesmal. Doch diesmal anders. …
Das lag in erster Linie daran, dass Felix Mitterer ein begnadeter Menschenschreiber ist. …
Am Ende hat sich Mitterer über die historische Wahrheit hinweggeschrieben. Er setzt einen versöhnlichen Akt. Für, nicht gegen das Leben. Rukeli lebt, aber er wird deswegen nicht mehr lebendig.
(OÖ Nachrichten)
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"Der Boxer", Deutsche Erstaufführung im Schlosstheater Celle am 25. September 2015
Regie: Charlotte Koppenhöfer

"Dem Autor des Stücks, Felix Mitterer, gelingt die Vermittlung des Gewaltaspektes. So liegt die Brutalität dieser wahren Geschichte nur oberflächlich im körperlichen Faustkampf. Vielmehr zeigt sie die tödliche Wirkung der Entwertung von Menschen auf."
Hannoversche Allgemeine Zeitung

"Mit bis oft über die Schmerzgrenze hinausgehender Brutalität wurde das tragische Schicksal des Boxers „Rukeli” Trollmann als bedrückendes Theaterstück (deutsche Erstaufführung!) inszeniert. ...
Charlotte Koppenhöfer inszeniert mit einem beeindruckcnden Spannungsbogen, der von Anfang bis Ende in Atem hält und schließlich stumm macht. ...
Ein wahrlich sehenswertes, mutiges und das Celler Schlosstheater bereicherndes Stück, das den anhaltenden Schlussapplaus unbedingt verdient hat."
Landluft, Celle

"Mitterers dynamisches und bewegendes Theaterstück thematisiert die bösartige Ausgrenzung des vermeintlich Anderen und zeichnet mit dem ergreifenden Schicksal Trollmanns auch ein Stück regionaler Geschichte nach."
Bergener Anzeiger

"Dem Celler Theater ist eine höchst sehenswerte Aufführung geglückt."
Cellesche Zeitung