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Kaiserverlag
Besetzung: 2-4D / 2-4H / Simultanbühne
Typ:
Vier Einakter

„Besuchszeit“ spielt im Altersheim, im Gefängnis, in der Psychiatrie und im Krankenhaus.
In diesen Endstationen der Gesellschaft vegetieren die Abgeschobenen, Eingeschlossenen und Hilflosen ohnmächtig und perspektivenlos in einem Vakuum aus Kälte und Ignoranz zwischen trauriger Vergangenheit und trostloser Zukunft dahin.
Aber auch die Besucher dieser Randexistenzen sind Gefangene ihrer eigenen Gedanken und Opfer gesellschaftlicher Konventionen und Mechanismen, denen sie ausgeliefert sind. Ihr Besuch ist für die Betroffenen nur ein aufflackernder Augenblick, ein stillstehender, verzweifelter Moment zwischen den Zeiten in der Leere ihres Restdaseins.

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Leseprobe

MAN VERSTEHT NICHTS!
1. BILD

ER: Und was sagt der Dokta? Wissens no immer nit, was los is?
SIE: Na, Genaus woaß ma nit. I steh unter Beobachtung, hat er gsagt, der Dokta.
ER: I bin nia krank gwesen.
SIE: Na, du warst immer kerngsund.
ER: Außer nach 'n Kriag amal. Aber des war mehr der Hunger.
SIE: Du hast a starke Natur.
ER: Muass scho sein, ja. Und hab immer meine Dreier graucht. Und mei Bier trunken. Und garbeitet nit wenig.
SIE: Weilst a Mann bist. Weilst koane Unterleibsgschichten ghabt hast so wia i.
ER: Weil di der Seiwald über d'Stiagen gschmissen hat.
SIE: Ja, des war der Anfang. Wia i's erste Kind verloren hab.
ER: Und mei Kind is deswegen nacha a abgstorben in dein Bauch drin.
SIE: Ja, a Bauchhöhlenschwangerschaft war des. A Monat lang hab i's tote Kind im Leib tragen. Des is direkt verfault in mir. Wenn s' mi nit no rechtzeitig operiert hätten, wär i draufgangen. (…)
ER: An Haufen Kinder hätt ma haben können.
SIE: Des brauchst mir nit immer vorwerfen.
ER: Iwirf dir eh nix vor. Schön wärs halt gwesen.
SIE: I hab dir immer wieder vorgschlagen, dass ma oans aufnehmen. Die Stettner Inge hat ihre Zwilling hergschenkt. Mir hättens haben können. Aber du wolltest nit.
ER: Da war grad mei Kind abgstorben. I hab mir denkt, vielleicht gehts doch no amal.
SIE: Der Dokta hat dir aber gsagt, dass es nimmer geht.
ER: Ma hat immer a Hoffnung.
SIE: Wenn alles heraussen is, gibts koa Hoffnung mehr.
ER: A angnommens Kind is koa eigenes.
SIE: A Kind is a Kind.
ER: Aber nit von mein Bluat.
SIE: A Kind is a Kind.



Rezensionen

Uraufführung: 16.04.1985, Theater Die Tribüne, Wien
Regie: Oskar Willner

Zeitlos neu ist … die Genauigkeit, mit der Mitterer einfache Menschen zu belauschen versteht. Seine Dialoge treffen, weil sie wahr sind. Ohne dramaturgische Kunstgriffe und Verfremdungsgaukeleien versteht er es, den Zuschauer zu interessieren, zum Mit-Leid zu bewegen: weil er unser aller Angst und böses Gewissen anrührt.
AZ, 18.04.1985

Stille Verzweiflung und geballte Tragik – das ist es, was Felix Mitterer in seinem neuen Einakterzyklus „Besuchszeit“ auf ein geschockt-begeistertes Publikum loslässt.
Kronen Zeitung, 20.04.1985

Premiere: Landesbühnen Radebeul, 25.10.2014

Dresdner Neueste Nachrichten, 27. Oktober 2014
Diesem Stück von Felix Mitterer gelingt es "fast ohne technisches Beiwerk" derartig zu brillieren, dass dem Publikum ein Theaterabend voller "gemeinsamer Erlebnisse" geboten wurde.

Berliner Morgenpost, 27. Oktober 2014
Schlichtweg von einem "Theaterabend der besonderen Art", bei dem am "Ende niemand enttäuscht zu sein braucht", kann laut der "Berliner Morgenpost" bei der Aufführung dieses Stücks nur die Rede sein.