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Kaiserverlag

Beichte, Die

Profitheater Dramatik, Zeitstücke
Besetzung: 2H / 1DEK / / 1Junge

Es ist eine schmerzvolle Beichte, die Felix Mitterer in seinem gleichnamigen Stück entwirft. Es erzählt die Geschichte des verwaisten Chorknaben Martin, der von einem Priester missbraucht wird und als Erwachsener dasselbe mit seinem Sohn tut. Entschlossen, sich und das Kind zu töten, um ihm ein Schicksal wie sein eigenes zu ersparen, begibt er sich in die Kirche, in der sein ehemaliger Beschützer und Peiniger Pater Eberhard die Beichte abnimmt. Es kommt zu einer aufwühlenden Auseinandersetzung des Opfers mit dem Täter.

Das Stück „Die Beichte“ basiert auf einem gleichnamigen Hörspiel Mitterers, das im Oktober 2003 vom ORF produziert und vom Publikum zum „Hörspiel des Jahres“ gewählt wurde. Den Anstoß dazu gab eine 1999 im irischen Fernsehen gesendete Dokumentarfilmserie über jugendliche Missbrauchsopfer in kirchlich geführten Waisen-, Erziehungs und Schülerheimen in Irland. Diesen Enthüllungen folgte die Aufdeckung der skandalösen Zustände im Priesterseminar Sankt Pölten, die erst im November 2003 bekannt wurden, und viele weitere, die den entsetzlichen Beweis lieferten, dass das Thema auch in Österreich und Deutschland brandaktuell ist. Neuester Fall ist der von Norbert Denef, der als Kind und Jugendlicher jahrelang von einem katholischen Pfarrer missbraucht wurde.

Mitterer greift in seinem bestürzenden Stück das Thema des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch ihre Erziehungsberechtigten auf. Ohne einseitig zu verurteilen oder einem billigen Opfermythos zu huldigen, zeigt er die psychologischen und sozialen Hintergründe und die möglichen Folgen derartiger Verletzungen auf.

Der Tiroler Autor zeigt sich dabei auf der Höhe seiner Kunst, menschliche Schwächen, Fehler und Vergehungen auf subtile Weise aufzuzeigen und allein aus dem Dialog heraus Hochspannung und Dramatik zu entwickeln.

Das ORF-Hörspiel "Die Beichte" von Felix Mitterer ist mit dem Prix Italia 2004 ausgezeichnet worden.


Leseprobe

MARTIN: Sie haben Ihre Spuren an mir hinterlassen, Pater Eberhard. Ätzende Schleimspuren. Wie von einer ekelhaften Nacktschnecke. Ich hab einen Sauberkeitswahn, Pater Eberhard. Ich wasch mir ständig die Hände. Dreimal am Tag muss ich duschen. Übrigens - den Duschraum, drüben im Heim, gibt’s den noch?
PATER EBERHARD: Nein, schon lang nimmer.
MARTIN: Der ungewöhnlichste Duschraum, den ich je gesehen hab.
MARTIN: Ein gefliester Raum mit hundert Duschköpfen an der Decke. Und Sie, Pater Eberhard, stehen draußen an zwei riesigen Eisenrädern und drehen das Wasser auf und zu. Einmal kalt, einmal heiß. Einmal viel zu kalt, und dann wieder viel zu heiß. Und Sie schauen beim Sichtfenster herein, ob wir uns schon auch richtig waschen. Und dann drehen Sie das Wasser ab -
MARTIN: - und dann machen Sie die Tür auf.
MARTIN: Und Sie kommen herein zu uns. Sie haben ein Handtuch in der Hand, Sie tauchen es in das Wasser am Boden und dann geht’s los. Klatsch – auf den kleinen Hintern! Klatsch – auf den kleinen Hintern! Nein, war das ein Spaß!
PATER EBERHARD: (holt mit der Hand im Beichtstuhl aus)
Und ab in den Schlafsaal! Und ab, die Spatzen! Und ab die Schwalben! Und ab die Falken! Und sofort die Unterhosen anziehen draußen! (Leise:) Martin! Bleibst du da, bitte?
PATER EBERHARD: So, jetzt werden wir schauen, ob du dich auch wirklich überall gewaschen hast.
MARTIN: Was soll ich sagen? Es hat mir gefallen. Ich bin gestreichelt worden. Welches Kind wird nicht gern gestreichelt?
PATER EBERHARD: Martin, hör mir bitte zu.
MARTIN: Nein, jetzt red ich, Pater! Ich leg die Beichte ab! Nur nicht die Rollen vertauschen! Ich bin dann in den Schlafsaal zurück. Und neunzehn neugierige Augenpaare sind auf mich gerichtet, ich bin furchtbar erschrocken. Und einer von den Buben sagt: „Und? Hat er gut nachgeschaut?“ Da hab ich gewusst, ich bin nicht der einzige Engel.
PATER EBERHARD: Du warst der einzige.
MARTIN: Ja, bei den Kleinen, bei den Spatzen war ich dann eine Zeitlang der einzige, stimmt schon. Mitten in der Nacht hast du mich aus dem Bett geholt und auf deinen Armen in dein Zimmer getragen. Das war schön, das hat mir gefallen, getragen zu werden. Dreimal in der Woche bist du gekommen und hast mich aus dem Schlafsaal geholt. Ich hab’s kaum erwarten können. Denn du warst geduldig und wolltest dein Spielzeug nicht gleich kaputt machen. Für die härteren Sachen bist du zu den Schwalben gegangen, dort hast du die Buben ziemlich oft gewechselt.
PATER EBERHARD: Du warst der einzige.



Rezensionen

Uraufführung: 24.07.2004, Tiroler Volksschauspiele Telfs
Regie: Martin Sailer

Premiere: 04.03.2005, Theater Kaendace
Regie: Klaudia Reichenbacher

Maximilian Achatz und Alexander Mitterer schaffen es, in ihrer Beichte die Seelen der Zuschauer zu berühren. Auf eine Art, die schmerzt und wütend macht über das, was war.
ff- Südtiroler Wochenmagazin, 03.2005

Premiere: 12.04.2007, Semperdepot, Wien
Regie: Zeno Stanek

Ohne jede Heuchelei und Meinungsmacherei …
Kronen Zeitung, 14. April 2007