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Kaiserverlag

Alle deine Geburtstage

Profitheater Dramatik, Zeitstücke Baltikum bis Balkan
Besetzung: 14 D / 13 H / 2 Stat / Mehrfachbesetzungen möglich
Übersetzung:
Aus dem Kroatischen von Tihomir Glowatzky
Rechte:
Frei zur dtspr. EA

Irgendwie haben es die Geburtstage von Marian in sich: Seit seinem zehnten Lebensjahr gerät jede Dekade verlässlich zur absoluten Katastrophe.
1957: Marians Freund zertrümmert mit einem Fußball das neue Statussymbol der Familie, einen sündhaft teuren Fernseher.
1967: Die Mutter entdeckt, dass ihre beste Freundin ein Verhältnis mit ihrem Mann hat.
1977: Der geliebte Großvater stirbt.
1987: Der Vater wird unehrenhaft seines Direktorpostens enthoben.
1997: Marian ist inzwischen Witwer und versucht seinen 50. Geburtstag alleine zu überstehen.
2007: Die Rest-Familie will ihn überraschen und überrascht ihn mit seiner jungen Geliebten.
2017: Die Katastrophe schwebt wieder einmal scheinbar unüberwindbar über ihm.
Kann es ein kleines Happy-End geben?
Dramatisch und komisch zugleich bewegt sich diese Familiensaga durch die Jahrzehnte und zeigt dabei sinnlich und gefühlvoll ein Einzelschicksal, das stellvertretend für viele stehen könnte.
Ganz nebenbei handelt dieser Mikrokosmos politische Themen ab, die auch europäische Geschichte sind.


Leseprobe

BORIS: Ich habe dich gestern und vorgestern mehrfach zu Hause angerufen, habe dir zwei Nach-richten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, aber du meldest dich einfach nicht. Und dann ist mir eingefallen, dass du früher mal gerne hierhergekommen bist.
MARIAN: Ist es etwas Wichtiges?
BORIS: Ich wollte nur mit dir reden. Ich habe dich seit der Beerdigung praktisch gar nicht mehr gesehen – lange drei Monate. Wir haben uns nur einmal zufällig auf der Straße getroffen.
MARIAN: Ach… Ich brauche noch ein bisschen Zeit… mir ist nicht nach Gesellschaft.
BORIS: Du kannst nicht vor den Menschen weglaufen. Das ist nicht gut für dich.
MARIAN: Ich laufe nicht weg. Ich bin einfach noch nicht bereit…
BORIS: Du musst wieder unter Leute, wieder in den Alltag zurückkehren… Die letzten beiden Jahre hat nicht nur sie gelitten, du hast ebenso mit ihr gelitten. Du musst an deine Gesundheit denken.
(Schweigen.)
MARIAN: Am schlimmsten ist es am Morgen, wenn ich aufwache. Wir haben immer darum gestritten, wer zuerst ins Bad darf… Nun vermisse ich unsere kleinen Streitereien… Das Bad ist frei, doch ich habe weder Lust, ins Bad zu gehen noch in den neuen Tag zu starten… So ist es jeden Morgen.
BORIS: Morgen gehe ich mit den Jungs zum Fußballspiel. Willst du mitkommen?
MARIAN: Ich könnte mich nicht auf das Spiel konzentrieren.
BORIS: Weißt du überhaupt, was für ein Tag heute ist?
MARIAN: Ich weiß. Ich habe gehofft, dass du es vergisst.
BORIS: Ich gratuliere dir zum Fünfzigsten!
(Er reicht Marian die Hand.)
MARIAN: Danke, auch wenn mir nicht nach Feiern zumute ist.
BORIS: Hör mal – seit deinem 10. Geburtstag war ich bei all deinen Geburtstagen bei dir. Denkst du etwa, ich würde diesen verpassen?
MARIAN: Dich wird man einfach nicht los.
(Boris holt aus der Tasche eine kleine als Geschenk verpackte Schachtel.)
MARIAN: Was ist das?
BORIS: Ein Handy, Nokia 8110 – „Banane”.
MARIAN: Ach, das ist nichts für mich! Ich kann es mir nicht vorstellen, jederzeit und überall angeru-fen zu werden…. Diese Handys sind eine schiere Dummheit. Das ist nur was für angehende Manager. Diese Mode hält sich nicht lange.
BORIS: Alter, in drei-vier Jahren werden das alle haben, sogar die Kinder. Die Zukunft hat begonnen.
MARIAN: Meinst du, ich weiß nicht, warum du mir das gekauft hast?
BORIS: Warum denn?
MARIAN: Damit ich für dich immer erreichbar bin, damit du überprüfen kannst, wo ich mich befinde.
BORIS: Auch deswegen, ein Handy ist ein gutes Mittel im Kampf gegen die Depression. Sobald man mit Menschen kommuniziert, fühlt man sich besser.
MARIAN: Das ist ein teures Spielzeug, du hast sicher deinen halben Monatslohn dafür hingeblättert?
BORIS: Hör mal – denke bloß mal an deinen 10. Geburtstag zurück, wo ich mit dem Ball euren Fernseher abgeschossen habe. Das Herz ist mir in die Hose gerutscht, als dein Vater so wütend ins Zimmer hereingestürmt ist, entsetzt vom Anblick des kaputten Fernsehers – und du hast ohne zu zögern die Schuld auf dich genommen… Schon damals habe ich erkannt, dass du der beste Mensch auf Erden bist und dass ich einen Freund fürs ganze Leben bekommen habe. Ich habe dir zu keinem der späteren Geburtstage etwas Wertvolles gekauft, aber nun, endlich, kann ich das mit diesem Handy wieder ein bisschen gutmachen.
MARIAN: Ach, meine Geburtstage… Als Mutter noch gelebt hat, als Vater gesund war, musste ich feiern, ich hatte keine Chance, mich dem zu entziehen. Wenn ich bloß an all meine Geburtstage zurückdenke, kommt mir vor, als hätte dieses Leben einem anderen gehört und nicht mir.
BORIS: Ach, du wirst wieder eines Tages…