- Autor:
- Heinz R. Unger
- Musik:
- Musik von „Die Schmetterlinge“
- Typ:
- Musiktheater
- Anmerkung:
- Gebundenes Werk / Großes Recht
Geschichte wird nicht nur gemacht, Geschichte wird auch geschrieben – und zwar zumeist nicht von den Armen, Unterdrückten und Mittellosen, sondern von jenen, die zumindest keine Gegner der herrschenden Macht sind. Der „Geschichte der Herrschenden“ eine „Geschichte der Beherrschten“ gegenüber zu stellen, das war der Anspruch des Autors Heinz R. Unger und der Band „Schmetterlinge“, als sie bei den Wiener Festwochen 1976 ihre „Proletenpassion“ vorstellten. In insgesamt 65 Liedern wird die Geschichte der letzten 500 Jahre als eine Geschichte der Klassenkämpfe erzählt, an deren vorläufigem Ende nicht unbedingt der Sieg der Arbeiterklasse steht.
Angesichts weltweiter Proteste wie „Occupy“ bis „Gezi“ wird die Proletenpassion unter einer zeitgenössischen Perspektive erneut zu einer Bestandsaufnahme der Gegenwart.
Leseprobe
Nichts bringt uns mehr zum Stehen,
die Strecke wird genommen,
wir wissen, wohin wir gehen,
weil wir wissen, woher wir kommen.
Wir lernen im Vorwärtsgehen,
wir lernen im Gehen.
Rezensionen
Uraufführung: 1976, Wiener Festwochen, Regie: Dieter Haspel
Premiere: 22.01.2015, Proletenpassion 2015 ff., Werk X, Wien
Regie: Christine Eder
Endlich! Endlich einmal nicht durch ein Übermaß an Ironie zerbrochenes
Schulterzucktheater, endlich einmal keine gelähmte Ratlosigkeit,
endlich einmal Mut zur klaren politischen Haltung (...)!
nachtkritik.de
Die „Proletenpassion“ wirkt auf einmal wieder so mitreißend, dass
man am liebsten gleich eine Revolution anzetteln würde.
Theater heute
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Premiere: 10.05.2018, Schauspiel Essen
Regie: Bernd Freytag, Mark Polscher
Nostalgisch könnte man werden, so naiv, so herzig wirkt das heute. Und doch haben Bernd Freytag und Mark Polscher ausgerechnet aus dieser Vorlage einen der spannendsten Schauspielabende der Spielzeit entwickelt, sowohl dramaturgisch als auch musikalisch und schauspielerisch originär, wenn nicht gar innovativ.
Den Liedern über Leid und Entrechtung der „Proleten“, des sogenannten einfachen Volkes, stellt der als Sprechchorleiter bei etlichen von Volker Löschs Erfolgsprojekten bekannte Freytag eigene, in der Regel solistisch gesprochene Texte entgegen. In diesen wird hochpoetisch und –konzentriert, die Selbstbewusstseinskrise und Zerrissenheit des Individuums beschrieben. Ganz aktuell und heutig, verortet zwischen der Gier nach möglichst raumgreifender Selbstentfaltung und der Sehnsucht nach Geborgenheit bei anderen Menschen bis hin zum Verschwinden in der Masse. Das ist nicht nur treffend beobachtet und fantastisch gespielt, sondern öffnet auch die chorisch gesungenen und gesprochenen Texte der Vorlage, gleichsam von hinten.
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Freytag und Polscher haben so aus dem Nährboden einer 40 Jahre alten, nicht mehr vermittelbaren Utopie eine neue entwickelt, auf der und für die Theaterbühne. Und setzen so nachdrücklich das Thema, das auch die alten Texte zusammenbindet: Solidarität als Wunschvorstellung und Rettungsanker – und warum das einfach nicht klappt, hier und anderswo.
Die Deutsche Bühne, Andreas Falentin, 11.05.2018
Proletenpassion – Bernd Freytag und Mar k Polscher dekonstruieren in Essen dieRevolutionskantate der "Schmetterlinge"
Im Mausoleum der Revolten
von Sascha Westphal
Die Lieder von Unger und den "Schmetterlingen" erzählen Geschichte von unten. Die Ausgebeuteten und Besiegten stellen ihre Erinnerungen der offiziellen Geschichte, die immer von den Siegern, also den Bürger und den Besitzenden, geschrieben wird, entgegen. In der Essener Bearbeitung fügen sich die Songs allerdings eher zu einer Geschichte vom Untenbleiben zusammen. Der Chor trägt die von den Ideen der marxistischen Geschichtsschreibung erfüllten Texte brillant vor, aber eben ohne jeden revolutionären Impetus. ...
Die Feier der Revolution und der Partei, die sie getragen hat, wird eine entlarvende Shownummer. Diese ironisierte Form von Klassenkampffolklore lädt explizit zu Reflexionen ein über das, was sie verdecken soll: den stalinistischen Terror. So werfen Freytag und Polscher Licht auf die dunklenFlecken der "Proletenpassion". Man mag bedauern, dass die Hoffnungen der 1970er inzwischen verloren gegangen sind, aber es ist beruhigend, dass die falschen Illusionen jener Jahre auf dem Friedhof der Geschichte gelandet sind.
Nachtkritik.de 11.05.2018