- Autor:
- Sophie Reyer
- Rechte:
- Frei zur UA
Als ihr französischer Halbbruder auftaucht, beginnt Luise sich mit der Hausmeistervergangenheit ihrer Mutter auseinander zu setzen. Sie spürt deren Leben nach, indem sie mit Radek, dem jetzigen Hausmeister, eine Freundschaft beginnt. Gleichzeitig konfrontiert ihre Tochter Ina sie immer vehementer mit der Vergangenheit. Briefe tauchen auf, die die Situation der Großmutter zeigen: Krieg, Alkohol, den Alltag eines Lebens am Existenzminimum.
Ein Schmerz kommt in Luise hoch, dem sie nicht gewachsen zu sein scheint …
Leseprobe
LUISE: Was weißt du. Über deine Großmutter?
INA: Tante Anna hat gesagt, sie hat gesoffen.
EVA: Also, so ein Wort!
INA: Mama. Mama, schau mich an! Was hast du?
Luise sinkt gegen das Fenster zurück.
LUISE: Muss auf einmal an den Körper eines Erhängten denken. Weiß selbst nicht wieso.
EVA: Uns! Kind! Uns hat man erhängt. Gekränkt. Es war Krieg. Ich erinner mich vage. Bin nur noch ein Schatten. Aber das: das weiß ich noch: rot.
LUISE: Der Rachenraum. Fühlt sich rot an. Der Speichel wird mir mehr und mehr in ihrem Mund.
INA: Alles okay?
LUISE: Geht schon.
INA: Du ringst so. Nach Atem.
LUISE: Ja.
INA: Aber die Wahrheit. Ich muss sie doch wissen! Ich bin dein Kind!
EVA: Wir müssen sie wissen! Ehrlich! Kann mich nicht erinnern. Gesoffen schon. Oder. Und tot. Aber wie.
LUISE: Deine Großmutter. Ja. Es war Selbstmord auf Raten. Ist ja immer so bei Alkohol. Das ist doch schlimm genug. Oder. Und jetzt lass mich schlafen.
INA: Und warum warst du nicht mehr bei ihr?
EVA: Bei mir? Bei mir! Du warst nicht mehr bei mir!
Luise fühlte sich ertappt. Mit einer plötzlich zärtlichen Geste umarmt sie die Tochter.
LUISE zart: Ich muss schlafen.
INA sich in der Umarmung ergebend: Ja.