- Autor:
- Silke Sämann
- Rechte:
- Frei zur UA
Irene, auf der Suche nach Erlösung von ihrer Fresssucht und Einsamkeit, geht auf Wanderschaft. Sie trifft auf Frank, einen Möchtegern-Guru, und Conni, seine hörige Gefährtin. Die drei pilgern zusammen weiter, am Flussufer entlang. Frank erklärt sich zum spirituellen Anführer der kleinen Gruppe.
Auf der Suche nach einem Winterquartier führt sie ein Hund zum Haus Katrin, einem ehemaligen, heruntergekommenen Wirtshaus am Fluss, wo Hans lebt, der sie ablehnend und nur widerwillig bei sich unterkommen lässt. Hans, von Frau und Sohn verlassen, verschuldet, arbeitslos, führt ein einsiedlerisches Trinkerleben.
Hier entspinnt sich nun ein Beziehungsgeflecht aus sexueller Abhängigkeit, Egoismen, Aggression, Suchtverhalten und pseudo-religiösem Wahn.
Dieses skurrile, irritierende und auch furchtbar komische Stück thematisiert die Empfindung des inneren Mangels, der Bedürftigkeit, die kompensiert werden soll mit Dingen wie Geld, Besitz, Erfolg, Macht, Anerkennung, einer besonderen Beziehung, besonderen Fähigkeiten, besonderen Erfahrungen. Diese Empfindung des emotionalen Defizits, das innere Loch des Unzulänglichen, können zu einem Suchtverhalten führen und entladen sich dann in den sonderbarsten menschlichen Handlungen.
Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst, für das eigene Leben, das heißt, um die innere Anwesenheit: BeobachterIn und ZeugIn zu sein unserer Gedanken und Gefühle, unserer konditionierten, geistig-emotionalen Muster und Reflexe. Die Verschmutzung unseres Planeten z. B. ist die Spiegelung im Außen von einer psychischen „Verschmutzung“ im Innern, ein Spiegel für Millionen von unbewussten Menschen, die keine Verantwortung für ihren inneren Raum übernehmen.
Überflüssig zu sagen, dass die ProtagonistInnen dieses Stücks – sagenhaft und erbärmlich zugleich – an all dem scheitern.
Leseprobe
CONNI. Grüß Sie!
IRENE (verheult, Nutella-verschmiert, staubig). Morgen!
CONNI. Der Tag ist mein Freund! Ich bin Conni.
IRENE. Irene.
Pause. Tiefes Summen.
IRENE. Was ist das?
Das Summen bricht ab. FRANK steckt seinen Kopf aus dem Zelt.
FRANK. Ich bin Frank. Sie liebt mich, aber wir sind kein Paar.
CONNI. Er ist ein besonderer Mensch.
IRENE. Ach, wirklich.
FRANK. Ich bin auf einer Mission unterwegs, da darf ich mich nicht verzetteln. Ihr wisst sicher beide, wie die Liebe einen aus der Bahn werfen kann.
CONNI, IRENE (im Chor). Oh ja.
FRANK. Das denk ich mir, ihr zwei lasst euch gern mal aus der Bahn werfen.
CONNI, IRENE (im Chor). Oh ja.
FRANK. Ich kann mir das nicht leisten.
IRENE. Ein Erlöser?
CONNI. Meiner ist er auf jeden Fall.
FRANK. Ich bin nur ein Mann mit besonderen Fähigkeiten.
IRENE. Ach, wirklich?
FRANK. So eine Mischung aus Jesus und Rasputin, so was.
Der HUND kommt angelaufen, schnuppert, läuft weiter.
CONNI (zu FRANK). Da ist wieder der Hund.
FRANK winkt ab.
FRANK. Wanderprediger und Geistheiler. Ich strebe nach weltlicher Macht und Weisheit, eine selten gelungene Mischung, ich will den Menschen den inneren Frieden bringen.
CONNI. Und damit den Weltfrieden.
IRENE. Da geht sich eine Beziehung echt nicht aus.
CONNI. Ich bin an seiner Seite. … Da bleibe ich auch.
IRENE dreht sich weg, will gehen.
FRANK. Wohin, meine runde Schöne? … Wir können Aufmunterung gebrauchen.
Pause.
IRENE. Ich wollte schon immer in einer Sekte leben.
FRANK. Umwandlung von Leid zu innerem Frieden.
IRENE. Das kannst du?
FRANK. Schau dir Conni an, sie ist glücklich wie ein kleines Schwein. (Er springt auf, nackt.)
Er legt IRENE die Hände auf den Kopf. Sie schließt die Augen.
FRANK. Ich bin gesegnet mit göttlichen Kräften. Menschen in meiner Aura können sich zu vollkommeneren Wesen entwickeln.
Sie bewegen sich ganz leicht hin und her. CONNI summt eine Melodie. Nach einer Weile öffnet IRENE wieder die Augen, wirkt irritiert.
FRANK. Es ist kein Zufall, dass wir uns hier getroffen haben. Du bist hier, weil die Welt Größeres für dich bereithält. Du bist dazu bestimmt, ein Teil unserer Bewegung zu werden. Du bist hier, weil es eine höhere Macht gibt und sie deine Hilfe braucht. Ich möchte, dass du mithilfst, eine friedlichere Welt zu schaffen. Dein Platz ist bei uns.
Es wird dunkel.