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Kaiserverlag

Eurostar

Ein Roadmovie als Kammerspiel
Profitheater Komödie und Boulevard
Autor:
Barbara Kadletz / Ursula Knoll
Besetzung: 2D / 2H / 1DEK
Rechte:
Frei zur UA

Zwei Literaturwissenschaftlerinnen sitzen im Eurostar auf der Strecke Wien – London. Mit dabei im Zugabteil: Josef Roth und Stefan Zweig – allerdings als Gespenster. Beide sind aber sehr lebendig in ihren Launen, Streitereien und Kommentaren. Zwei Literaten, die vor den Nazis emigrierten, deren literarische und materielle Existenz vernichtet wurde und die zusehen mussten, wie die Barbarei regierte.
Was sehen sie im Heute? Wie sehen sie Europa, seine Grenzen, aufkommenden Nationalismus, Sicherheitswahn und Flucht?
Mit Aperçus, unterhaltsamen Dialogen und scharfsichtigem Schlagabtausch spannen die literarischen Wiedergänger einen mitreißenden Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Und diesmal sind nicht Selbstmord und Selbstaufgabe der beiden Exilanten das Ergebnis. Mit den beiden Damen finden sie eine recht patente Lösung als Antwort auf die dringenden Fragen zu Migration, Flucht und europäischer Abschottung.


Leseprobe

Zweig Ist alles in Ordnung? Kann ich Ihnen helfen?
Anna zuckt zusammen. Sieht auf.
Zweig Sie wirken ein bisserl aufgelöst. Brauchen Sie was?
Anna Nein danke, es geht schon.
Zweig Ich hab schon einiges von Ihnen gehört, schön, Ihre Bekanntschaft zu machen. Dr. Wyberer spricht nur in den höchsten Tönen von Ihnen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, ihre Chefin wirkt manchmal ruppig, weiß Ihre Unterstützung aber sehr zu schätzen.
Anna Entschuldigung, aber wer sind Sie eigentlich?
Zweig Ach, wie unhöflich, entschuldigen Sie bitte, das ist sonst nicht meine Art. (zieht den Hut) Stefan Zweig.
Anna Dann bin ich Anna Seghers, freut mich sehr!
Zweig Und Humor haben Sie also auch. Das sind ja die besten Voraussetzungen.
Anna Tolles Kostüm.
Zweig Ja, den Schneider gibt es leider nicht mehr. Wurde auch vertrieben.
Anna Sogar der Schnauzer stimmt.
Zweig Das ist der Vorteil am Totsein, das ewige Rasieren hat ein End.
Anna Ihr Kollege vorher im Speisewagen, also falls der zu Ihnen gehört, der hat aber das schönere Mascherl!
Zweig Der Herr Roth? Ja, der war immer schon extravaganter. Ehrlich gesagt, für meinen Geschmack ein bisschen zu übertrieben.
Anna Im Fasching ist Übertreibung Pflicht.
Zweig Im Fasching vielleicht.
Anna Und Sie machen das jedes Jahr, zum Karneval fahren?
Zweig Karneval ist so gar nicht meines. Das war immer ein Tamtam, in Brasilien. Ich bin nur wegen der Lotte hin. Danach hat sie immer noch tagelang gestrahlt. Das fehlt mir am meisten, sie hat mich schon angesteckt, mit ihrer Lebendigkeit. Schau an, ich belästige Sie da mit den alten Geschichten, aber Sie strahlen so etwas Vertrauenswürdiges aus.
Anna Also mich haben Sie überzeugt. Kostüm top, Rolle top, ich kenn mich ja nicht aus mit Fasching, aber für mich sind Sie Faschingsprinz, wenn der Titel so heißt.
Zweig Sie missverstehen mich. Ich mache Ihnen nichts vor.
Roth taucht auf.
Anna Oh, jetzt kommt auch noch die Verstärkung. Wollen Sie sich jetzt gemeinsam über mich lustig machen?
Roth Mit seinem Vermächtnis hat der Herr Zweig noch nie gespaßt. Dem kann man glauben, was er sagt. Überhaupt ist er ein zu ernster Charakter. Sie haben seine Bücher doch gelesen, haben’S da viel gelacht?
Anna Wissen Sie was, ich wünsche Ihnen beiden noch einen schönen Tag.