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Kaiserverlag

Der Denunziant seiner selbst

Profitheater Dramatik, Zeitstücke
Besetzung: 1D / 2H / Simultanbühne
Rechte:
Frei zur UA
Bearbeitung:
Nach dem Roman „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ von Fjodor M. Dostojewski

„Das Bewusstsein hoher Geburt ist eine moralische Kraft . . .“(Lord Byron), doch freiwillig in einem Loch zu leben, einer Ratte gleich, inmitten von Schmutz und weit ab aller gesellschaftlicher Werte, birgt noch viel größere Kraft in sich – könnte unser Held in den „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ gesagt haben.
Tatsächlich entwirft hier Dostojewskij – nun immer öfter von starken epileptischen Anfällen heimgesucht, durch Spielschulden fast völlig ruiniert und unter Eindruck des Todes seiner Frau, seines Bruders Michail und seines engsten Mitarbeiters Apollon Grigorjew – das Bild eines Menschen, der sich nervlich zerrüttet und angeekelt von den gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit in sein Kellerloch zurückzieht, um dort in Einsamkeit das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit vom Diktat einer alles beherrschenden „Vernunft“ zu verteidigen.
Dostojewskij, der Psychologe oder besser „Realist in einem höheren Sinne“ – so wie er sich selbst bezeichnete – dekonstruiert hier in meisterlicher Art die Gedanken des Helden, reflektiert dabei über Aufklärung und Religion, Hass und Liebe, Verzweiflung und Hoffnung, Moderne und Tradition und stellt so eine Menschheit in Frage, die sich in ihrer Entwicklung nicht mehr von den Prinzipien der Einzigartigkeit des Einzelnen, sondern von denen der Effizienz der Gruppe leiten lässt. Dostojewskijs Kellermensch ist von indifferenter Langeweile erfüllt und leidet an der Grundlosigkeit seiner Existenz. Er sucht keine theoretische Lösung, er sucht vielmehr Erleichterung. Am Ende sind alle seine Gedanken: Unsinn, Frechheit, Lüge. Er ist ein verzweifelter Zweifler, lediglich überzeugt vom Wert der Selbstbehauptung.
Die brilliante „Dialektik eines Verzweifelten“ – von Nietzsche als „wahrer Geniestreich der Psychologie“ bezeichnet – die auch heute noch zeitgemäße Kritik an einer Technokratie vorbereitenden Vernunft und die tragische Geschichte des Scheiterns beim Versuch sich doch noch als Mensch zu behaupten, machen diese Erzählung zur vielleicht „größten“ aller „kleinen“ Romane Dostojewskijs.
Artak Grigorjan hat aus dieser klugen Menschenspiegelung, dieser poetischen, schwarzen Bestandsaufnahme einer Verzweiflung, eine interessante und gut umsetzbare Theaterfassung gemacht.

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