Bruder Krieg

Georg Trakl ist ein Entblößter, ein Entäußerter, der mit seiner ausgestülpten Innenwelt im scheinbaren Gegensatz zu einer späten Romantik seiner Lyrik sein verzweifeltes und vereinsamtes Ich an einen Menschen zu fesseln versucht. Dieser Mensch ist seine Schwester Margarethe, die den Bruder in seiner Wiener Verwahrlosung aufsucht und trotz der übergroßen geschwisterlichen, ja inzestuösen Liebe, sehr bald um ihre eigene Existenz kämpfen muss, die durch die aufwühlende, depressive und ohnmächtige Kraft des Bruders gefährdet ist. Dem Geschwisterpaar Trakl ist ein identisches Paar entgegengestellt, das diese ungewöhnliche Beziehung kommentiert, in die Geschehnisse eingreift, die Rollen vertauscht und das Gesehene als ein Spiel in einem lebensbedrohenden Spiel aufdeckt. "Bruder Krieg" ist ein beklemmendes Theaterstück über den frühen Expressionisten Georg Trakl, dessen Ausdrucksstärke, Pathos, Unbändigkeit, Rauschhaftigkeit und Ekstase hier nicht durch den Filter seiner fatalistischen Lyrik vermittelt werden, sondern ihn sehr direkt in seinem expressionistischen Schreien und Stammeln eines nach Reinheit und Friede suchenden Künstlers jener Tage vor dem I. Weltkrieg zeigt. Der Verfall und die Morschheit, die sich in Trakls Lyrik und seinen Theaterfragmenten in visionären Bildern von Bedrohung und Zerstörung manifestieren, sind in diesem Theatertext ebenso untrennbar mit dem Menschen Trakl verschmolzen, der die Trauer und den Schrecken, das Leiden an seiner Zeit tief in sich hineinlässt und daran zugrunde geht.Bruder Krieg" macht Georg Trakl somit auch zu einem heutigen Künstler, der in seiner gesamten Ambivalenz, seinem Lebensekel und dem Leiden an den Missständen einer unüberschaubar gewordenen Moderne nur noch den Ausweg der Selbstzerstörung gehen kann. Nur im Rausch der Drogen, der Kunst und der Selbstqual findet dieses widersprüchliche, einsame Ich fragwürdige Momente einer Erlösung.
Georg Trakl – eine Selbstvernichtungsgeschichte.