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Kaiserverlag

Affäre Odilon, Die

Dramatische Komödie
Profitheater Komödie und Boulevard
Autor:
Thomas Baum
Besetzung: 4D / 4H / 1DEK
Rechte:
Frei zur DEA

Der 66-jährige Alexander Girardi, vielfach gefeierter Wiener Theater- und Operettenstar der Donaumonarchie, wird ein Jahr vor dem Ende des Ersten Weltkriegs noch einmal ans Burgtheater gerufen. Nach wie vor restlos von seiner Großartigkeit überzeugt, kratzt eine Begegnung im Drogenmilieu der Kultur- und Musikstadt Wien empfindlich an seinem Glanz. Eine ehemalige, ebenfalls kokainsüchtige Schauspielkollegin bezeichnet ihn als völlig überschätzte, egoistische Rampensau. Selbst beim Erobern seiner ersten Ehefrau, der Schauspielerin Helene Odilon, habe er rücksichtslos Pointen geklaut und sich selbstsüchtig in den Vordergrund gespielt. Kein Wunder, dass die einst so großartige Bühnenkünstlerin, inzwischen längst von ihm getrennt, im Irrenhaus ihren Lebensabend fristet.
Diesen Vorwurf kann Girardi unmöglich auf sich sitzen lassen. Er verlangt unverzügliche Rehabilitation und animiert einige von Hunger und Elend gezeichnete Junkies, seine wahre, von der Presse weidlich ausgeschlachtete Geschichte als spontanes Stehgreiftheater nachzuspielen.
In einer aberwitzigen, politisch und historisch nicht immer ganz korrekten Szenenfolge wird nicht nur eine unglaubliche und skandalträchtige Intrige rund um Girardi aufgedeckt. Seine angepasste, unkritische Unterhaltungskunst und die herrschende politische Kurzsichtigkeit und soziale Verelendung machen auch Dynamiken sichtbar, die das Aufkeimen deutschnationaler und antisemitischer Tendenzen begünstigen.


Leseprobe

STEPAN: (ironisch) Nur gut dass Girardi
nicht von sich eingenommen ist
WILMA: (ironisch) Nicht die geringste Spur von Arroganz
Kein Hauch von übertriebener Verliebtheit
in die eigene Person
GUSTAV: (ironisch) Der Kerl ist so ganz und gar
kein eitler Gockel
OTTO: (ironisch) Stimmt Er kräht
auch nicht auffällig laut
DOROTHEA: (ironisch) Und ihm schwillt auch nicht der Kamm
wenn er fernab von hoher Schauspielkunst
eine Pointe von der Bühne donnert
und sich der Saal vor Lachen biegt
Die billige Schmiere ist sein Fach
Der Schenkelklopferwitz sein Credo
Und sogar das superscharfe
von allen einigermaßen potenten Wienern
heiß begehrte Vollblutweib namens Helene Odilon
ist ihm auf den Leim gegangen
GIRARDI: Unsinn Als ich vor ihr
erstmals auf der Bühne stand
hat sie sich alleine aufgrund
meines berückenden Erscheinungsbildes
Hals über Kopf in mich verschossen
DOROTHEA: Weil du mit ihr von der Rampe herab
schamlos geliebäugelt hast
GIRARDI: Was für eine miese Unterstellung
Für das jähe Hüpfen ihres Herzens
sorgte mein umwerfender Bühnencharme
DOROTHEA: Der leider noch nie ausreichend vorhanden war
Eher abgrundtiefe Peinlichkeit
GIRARDI: Wie viele Neider jedweden Geschlechts
doch meine Lebenspfade säumen
nur weil ich meine Rollen stets
mit unvergleichlicher Erotik spielte
DOROTHEA: So unvergleichlich dass du damit
die Odilon in die geistige Umnachtung triebst
GIRARDI: Dreckschleuder vermaledeite
Für diese niederträchtige Verleumdung
werde ich dich vor den Kadi zerren
WILMA: Wenn du auch nur einem
von uns kaputten mittellosen Streunern
eine Anzeige in Aussicht stellst
ist der Zeitpunkt gekommen
dein Verhältnis zu deinen Kronjuwelen zu erfragen
Die wird dir die Wilde Wilma nämlich unverzüglich
mittels Drehquetschgriff entfernen
falls du dich nicht sofort verziehst
GIRARDI: Nicht bevor mir mein untadeliger Ruf
auch hier im zwielichtigen Kreise
auf Putz und Stingl rehabilitiert erscheint
Mit euch originellen Charakterköpfen
wird sich der wahre Sachverhalt
doch rekonstruieren lassen



Rezensionen

Uraufführung: 06.02.2020, Auftragswerk für das Theater Phönix, Linz
Regie: Alexander Kratzer

„Thomas Baum ist natürlich ein versierter Autor, sodass die 105 Minuten ohne Pause rasch verfliegen und die Erzählebenen gekonnt ineinander verlaufen.“
Jasmin Gaderer, Kronen Zeitung Oberösterreich, 08.02.2020

„Eine komplexe Konstruktion von Theater im Theater im Theater (...)“
Eva Hammer, Oberösterreichisches Volksblatt, 08.02.2020